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Erfahrungsbericht über einen Mobbingkonflikt bei einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber

Der Verlauf meines Mobbingfalles zog sich insgesamt über einen Zeitraum von gut drei Jahren hin.

Sehr schnell, nachdem ich meinen neuen Job als Wissenschaftlerin in einem befristeten Projekt angetreten hatte, stellte sich heraus, daß die Vorgesetzte mit den neuen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen überfordert war. Die erste Kollegin zog nach ca. 4 Monaten die Konsequenz und kündigte in ihrer Probezeit, weil sie "den Führungsstil der Vorgesetzten nicht ertragen konnte". Eine weitere Kollegin ließ sich 1 Jahr später versetzen, weil auch für sie eine konstruktive Arbeit mit dieser Vorgesetzen nicht zu bewerkstelligen war. Nachdem auch noch die Sekretärin das Projekt verließ, war dann für mich eine Situation erreicht, in der ich auf einmal dieser Vorgesetzten mit ihren Machtspielen und Willküraktionen alleine ausgeliefert war.

Der verbliebene Rest der "Crew" unterstützte dann nach und nach, wohl aus Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes (es handelte sich um befristete Arbeitsverträge), den von der Vorgesetzen in Gang gesetzten Versuch der existentiellen Vernichtung meiner Person und der Ausübung meines Berufes (Mobbingprozeß).

Zunächst wurde von der Vorgesetzten versucht, meine Arbeit mit formalen Dingen zu erschweren oder zu verunmöglichen. Dienstreiseanträge wurden von ihr ständig "aus betrieblichen Gründen" abgelehnt oder viel zu spät weitergeleitet. Mehrfach schaltete die Vorgesetzte die Personalabteilung ein, um gegen mich arbeitsrechtlich vorzugehen. Dabei stellte sie die Sachverhalte grundsätzlich verzerrt dar. Jedes Mittel war der Vorgesetzten recht, um Ansatzpunkte gegen mich in der Hand zu haben.

In einem Gespräch bat sie mich, sich eine Kopie meiner handschriftlichen Aufzeichnungen machen zu dürfen. Diese Kopie legte sie dann im Personalamt vor, um zu belegen, wie (chaotisch) mein Arbeitsstil ist. Der zuständige Sachbearbeiter im Personalamt äußerte sich gegenüber dem von mir bereits informierten ÖTV-Sekretär, daß man arbeitsrechtlich gegen mich nichts in der Hand hätte und daß wohl die Chemie nicht stimmen würde zwischen der Vorgesetzten und mir.

Entgegen der Stellenausschreibung sollte ich einen zusätzlichen Aufgabenbereich wahrnehmen, für den die Vorgesetzte eigentlich selbst als Projektleiterin zuständig gewesen wäre. Bei Wahrnehmung der Aufgabe, für die eine spezielle Ausbildung notwendig gewesen wäre, wurden mir ständig Fehler unterstellt. Die Vorgesetze verlangte schriftliche (tägliche) Arbeitsaufzeichnungen von mir. Arbeitsbesprechungen mit der Vorgesetzen wurden von einer Praktikantin (wohl auf Anweisung der Vorgesetzten) falsch protokolliert.

Ich wurde mit willkürlichen Arbeiten beauftragt. So sollte ich z. B. einen Beratungsfall schriftlich lösen, der irgendwo in Süddeutschland spielte und mit meiner Arbeitspraxis vor Ort nichts zu tun hatte. Zu klärenden offenen Gesprächen unter Beteiligung aller kam es im gesamten Verlauf des Mobbingprozesses nicht ein einziges Mal.

Der Personalrat und die ÖTV-Verwaltungsstelle vor Ort wurden von mir schon sehr früh, nach Ende meiner Probezeit, eingeschaltet. Eine Kollegin unterstützte mich in meinen Beschwerden. Zunächst erschien vermutlich auch dem Personalrat der Konflikt als eine lapidare Streitigkeit. Im Verlauf der ständigen Beeinträchtigungen meiner Arbeit durch die Vorgesetzte wurde ein Vertreter des Personalrates immer wieder von mir aufgesucht. Letztendlich war es wohl auch für den Personalrat sehr schwierig, meine Interessen zu vertreten, da die vorgebrachten Beschwerden und Anliegen in der Regel für den Personalrat nur sehr schwierig zu handhaben waren und wenig justitiables bzw. vertrautes Potential boten.

Der nächst höhere Vorgesetzte (der Verwaltungsleiter), der ebenfalls schon sehr früh von mir über den Konflikt informiert wurde und den ich um Versetzung bat (da ich keine Heilungschancen in dem festgefahrenen Konflikt sah), glänzte mit der Methode des Aussitzens. Insgesamt führte die Anhäufung von Attacken gegen meine Person und Arbeit zu einer Situation, die mir ein normales Arbeiten mehr und mehr verunmöglichte. Hinzu kam, daß die Vorgesetzte meinen Ruf innerhalb der Verwaltung sowie auch im politischen Raum schädigte.

Der ständige Druck, der von der Vorgesetzten auf mich ausgeübt wurde, führte letztendlich nach eineinhalb Jahren dazu, daß ich krank wurde. Ich litt an extremen Schlafstörungen, Magen- und Darmproblemen und hatte einen Nervenzusammenbruch. Mein Hausarzt, dem ich mich mit dem Arbeitsplatzproblem anvertraute, diagnostizierte psychosomatische Erkrankungen und u.a. auch "Mobbing". Er schrieb mich immer wieder über längere Zeiträume krank und unterstützte einen Kurantrag für den Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik. Vor Antritt der Kur wandte ich mich dann an einen Rechtsanwalt, der zunächst versuchte, auf dem außergerichtlichen Wege eine Lösung des Konfliktes herbeizuführen. Bei der Durchsicht der von mir schon sehr früh dokumentierten Unterlagen stützte er sich auf die justitiablen Tatbestände.

So wurde erreicht, daß die Vorgesetzte keine weitere Person mehr zum Zwecke der Protokollierung von Dienstbesprechungen mit mir hinzuziehen durfte. Außerdem wurde geklärt, daß die täglichen Arbeitsaufzeichnungen nicht von mir verlangt werden durften. Strittig blieb nach wie vor, ob ich zu der schriftlich übertragenen Arbeit herangezogen werden konnte, für die ich nicht eingestellt war und die nach Auffassung des Arbeitgebers eine sogenannte "Zusammenhangstätigkeit" darstellte.

Diese strittige Frage mußte dann, nachdem die Vorgesetzte mir beim Ausüben der Tätigkeit immer wieder Fehler nachzuweisen versuchte, gerichtlich geklärt werden. Auf ein Vergleichsangebot des Richters wollte sich die Arbeitgeberseite nicht einlassen, so kam es zu einem Urteil, das besagte, daß ich die übertragenen Arbeiten nicht mehr verrichten mußte. Der Arbeitgeber legte gegen dieses Urteil Berufung ein.

Als Folge dieses Urteils verschlechterte sich die Arbeitssituation weiter. Der Kontakt mit der Vorgesetzten fand nur noch schriftlich statt. Zu Gesprächen mit der Vorgesetzten zog ich den Personalrat hinzu, weil nicht mehr zu gewährleisten war, daß die nun von ihr gefertigten Vermerke über die Dienstbesprechungen den Inhalt korrekt wiedergaben.

Alle Anstrengungen meinerseits zu einem offenen Gespräch unter Beteiligung des Verwaltungsleiters scheiterten. In der zweiten Instanz, vor dem Landesarbeitsgericht, kam es zu einem Vergleich, der letztlich auch das Ergebnis hatte, daß mir die Arbeiten in Zukunft nicht mehr übertragen werden durften. Auf Anraten meines Rechtsanwaltes beantragte ich nun ein Zwischenzeugnis. Das erteilte Zeugnis entsprach, wie zu erwarten war, nicht den notwendigen Voraussetzungen einer wahrheitsgemäßen und wohlwollenden Beurteilung. Im Ergebnis entsprach es der Schulnote fünf und beinhaltete in keiner Weise die Aufgaben, die von mir wahrgenommen wurden.

Erneut wandte ich mich an einen Rechtsanwalt. Diesmal an einen Rechtsanwalt, der sich im Arbeitsrecht mit dem Thema Mobbing auseinandersetzt. Das rechtliche Einfordern eines wahrhaften und wohlwollenden Zeugnisses führte letztlich dazu, daß nach weiteren drei Monaten ein Dienstaufhebungsvertrag geschlossen wurde und mir ein Zeugnis nach meinen Vorstellungen ausgehändigt wurde. Die Abfindungszahlungen beliefen sich über den Zeitraum von einem Jahr. Die Gesamtsumme von ca. DM 40000 wurde aus Steuergeldern gezahlt. Rechnet man die Ausfallkosten wegen Arbeitsunfähigkeit und die angefallenen Prozeßkosten für die Arbeitgeberseite sowie die dem Arbeitgeber entstandenen Kosten für Personalaufwand (Justitiar...) hinzu, so haben SteuerzahlerInnen für diesen scheinbar unlösbaren Konflikt ca. 100000 DM gezahlt.

Nachdem ich ein halbes Jahr später einen unbefristeten Job erhielt, weigerte sich der Arbeitgeber, die Zahlungen entsprechend den im Vertrag vereinbarten Konditionen zu zahlen. Auch dies mußte von mir auf gerichtlichem Wege durchgesetzt werden.

Die Erfahrungen in diesem Mobbingprozeß haben mir gezeigt, daß es sich letztlich doch lohnt, sich zur Wehr zu setzen. Zur Not auch auf dem Klagewege. Dafür sind allerdings sehr viel Durchhaltevermögen und viele gute Freunde und Freundinnen erforderlich, die einem immer wieder Mut machen. Heute arbeite ich übrigens im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung.

Quelle: Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr Bezirk Nordrhein-Westfalen I

 


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